Krebs-assoziierte Müdigkeit (Cancer Related Fatigue)
Die Cancer Related Fatigue ist eine häufige und belastende Begleiterscheinung bei Krebserkrankungen und deren Behandlung, insbesondere während und nach einer Chemotherapie. Es äußert sich in einer anhaltenden, tiefgreifenden Erschöpfung, die sich durch Schlaf oder Ruhe nicht wesentlich bessert und die Lebensqualität der Patient*innen stark beeinträchtigt. Fatigue kann sowohl körperliche als auch kognitive Einschränkungen verursachen und wirkt sich negativ auf Alltag, Beruf und soziale Teilhabe aus. Trotz ihrer Häufigkeit wird die tumorassoziierte Fatigue oft unterschätzt oder nicht ausreichend behandelt. Ihre Relevanz liegt daher nicht nur in ihrer hohen Prävalenz, sondern auch in der Notwendigkeit, sie frühzeitig zu erkennen, individuell zu therapieren und in die onkologische Versorgung zu integrieren.
Die hier genannten Behandlungsempfehlungen haben sich in den KIM-assoziierten Kliniken bewährt. Sie fördern angepasste körperliche Leistungen, den Kräfteaufbau, ebenso wie entlastende Aktivitäten und die Regulation des Tagesrhythmus.
Bewegungstherapien
Beschreibung der Maßnahme und Indikationen
Bewegung und Sport als supportive Maßnahmen im Rahmen einer Krebserkrankung stellen eine wichtige Ressource für Patient*innen dar. Die Fatiguesymptomatik kann durch sportliche Aktivität reduziert werden. Die Lebensqualität wird dadurch gesteigert, es kommt zur Stärkung von Selbstwirksamkeit und Resilienz. Es handelt sich hierbei um körperliche Aktivität in den fünf motorischen Beanspruchungsformen Kraft, Ausdauer, Koordination, Schnelligkeit und Flexibilität. Dazu zählen neben den gezielten sportlichen Maßnahmen auch die üblichen Alltagsaktivitäten wie z. B. Treppensteigen, Putzen oder Einkaufen.
Die individuell dosierte, körperliche Betätigung verbessert die Leistungsfähigkeit, aber auch die Lebensqualität und kann damit die Ausprägung der Belastung durch das Fatigue-Syndrom effektiv reduzieren. Selbst während einer Knochenmarktransplantation profitieren Patient*innen von regelmäßigem körperlichem Training. Neben einer Verbesserung der Lebensqualität und einer Reduktion der empfundenen Fatigue können die Behandlungszeit und Therapiekomplikationen verringert werden. Außerdem hilft sportliches Training, das Immunsystem zu stärken und die Widerstandskraft gegen Stress zu erhöhen. Zudem können psychische Symptome wie Depressivität reduziert werden.
Wann darf die Maßnahme nicht durchgeführt werden?
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An Tagen, an denen Chemotherapeutika mit potenziell kardiotoxischer Wirkung appliziert werden, sollte auf Sport oder intensive körperliche Belastung verzichtet werden.
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Bei Infektionen (pulmonal, gastrointestinal etc.) und Fieber
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Bei Leukozytose / ausgeprägter Leukopenie / ausgeprägter Thrombozytopenie
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Bei ausgeprägter Anämie
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Bei Knochenmetastasen mit Frakturgefährdung müssen Bewegungsmuster und Übungen angepasst werden.
Kurzanleitung
Kraft und Dehnung:
Für den Kraftaufbau sollen alle Bewegungen langsam ausgeführt werden. Keine abrupten, ruckartigen Bewegungen. Bei allen dynamischen Übungen während der Anspannung aus- und während der Entspannung einatmen.
Dehnung:
Dehnungen nur bis zu einem angenehmen Ziehen vorantreiben. Es darf kein schmerzhaftes Reißen spürbar sein.
Ausdauer:
Es kommen meistens Sportarten mit zyklischem Charakter zum Einsatz wie Walking/Wandern, Laufen/Joggen, Radfahren, Schwimmen (auch auf Geräten wie Laufband oder Fahrradergometer etc.)
Dauer und Häufigkeit
Krafttraining:
2-3x pro Woche jeweils 30 – 45 min z.B. als Gerätetraining (auch Hanteln oder Sprudelflaschen, Gummibänder oder Schlingentrainer) oder Übungen mit dem eigenen Körpergewicht (Kniebeugen, Unterarmstütz, Sit-ups, Zugübungen wie Klimmzüge mit Trainingspartner)
Ausdauertraining:
Mindestens 150 min/Woche moderates Training oder ca. 20 min/Tag. Diese 20 min können auch über den Tag verteilt werden, jedoch sollten es dann ca. 10 min mit 50 – 70 % der max. Herzfrequenz sein.
Formel zur Berechnung der max. Herzfrequenz:
Frauen: max. Herzfrequenz = 216 minus (1,09 x Alter)
Männer: max. Herzfrequenz = 202 minus (0,55 x Alter)
Besondere Hinweise für Anwender*innen und Patient*innen
Mit dem Training sollte nicht erst nach Beendigung der Therapie begonnen werden, sondern möglichst frühzeitig – am besten mit oder sogar vor Therapiebeginn. Es sollte zunächst unter medizinischer Kontrolle und unter Vermeidung von Überbeanspruchung körperlich gleichmäßig trainiert werden, so dass die physische Leistungsfähigkeit erhalten oder sogar gesteigert werden kann. Das Leistungsniveau sollte erhalten bleiben oder schrittweise gesteigert und an die individuelle Situation angepasst werden.
Für ambulante Patient*innen sollten Sport und achtsame Bewegung regelhaft in die Beratungsstruktur integriert und so vorhanden, weiterführende Empfehlungen (z.B. Krebssportgruppen, Reha-Sport, Krankenkassenangebote, DiGAs) gegeben werden. Im stationären Setting kann auf die Expertise von Physio- und Sporttherapeuten u.a. zurückgegriffen werden.
Hinweise zur externen Evidenz und weiterführende Literatur
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Witlox L, Hiensch AE, Velthuis MJ et al. Four-year effects of exercise on fatigue and physical activity in patients with cancer. BMC Med 06/2018.
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Kessels E, Husson O, van der Feltz-Cornelis ChM. The effect of exercise on cancer-related fatigue in cancer survivors: a systematic review and meta-analysis. Neuropsychiatr Dis Treat. 02/2018.
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Tomlinson D, Diorio C, Byene J, Sung L. Effects of exercice on cancer-related fatigue: a meta-analysis. Am J Phys Med Rehabil. 08/2014.
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F. T. Baumann/K. Schüle (Hrsg.): Bewegungstherapie in der Onkologie. Deutscher Ärzteverlag 2022
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F. T. Baumann/K. Schüle (Hrsg.): Bewegungstherapie und Sport bei Krebs. Deutscher Ärzteverlag 2019
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Rank M., Freiberger V., Halle M.: Sporttherapie bei Krebserkrankungen. Schattauer 2012
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https://www.dgsp.de/ (Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention)
Schafgarben-Leberwickel
Beschreibung der Anwendung
Der Schafgarben-Leberwickel regt sowohl die anabolen Stoffwechsel-Funktionen als auch die Entgiftungsleistung der Leber an. Er wird deshalb sowohl bei Erschöpfungszuständen wie der Fatigue oder in der Rekonvaleszenz, sowie bei toxischen Belastungen z.B. durch eine Chemotherapie eingesetzt. Der Schafgarben-Leberwickel erzeugt eine milde Wärme, die sich über den ganzen Körper ausbreitet. Er unterstützt die seelische Entspannung. Viele Patienten schlafen unter der Anwendung oder der Nachruhe ein.
Wann darf die Anwendung nicht durchgeführt werden?
Bei akuten entzündlichen Erkrankungen des Abdomens sowie Hautverletzungen im Applikationsgebiet dürfen Leberauflagen nicht appliziert werden.
Kurzanleitung
Die Schafgarbenanwendung dauert 30 min + 30 min Nachruhezeit. Vor der Anwendung müssen die Füße des Patienten warm sein. Das Schafgarbenkraut wird zu einem heißen Tee aufgegossen und ein Substanztuch damit getränkt. Das gut ausgewrungene Substanztuch wird auf die Lebergegend gelegt und mit einem Zwischentuch und einem Außentuch um den Leib fixiert. Eine Wärmflasche kann über dem Außentuch aufgelegt werden. Nach 30 min wird der Wickel entfernt und eine Nachruhe von 30 min gehalten.
Geeignete Tageszeit
Nach dem Mittagessen, vor dem Schlafengehen.
Benötigtes Material
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2 Baumwolltücher ca. 60x60 cm. (Substanztuch und Zwischentuch) Am besten geeignet sind Mullwindeln. Auch dünne Geschirrhandtücher in ähnlicher Größe eignen sich gut. Das Material muss gut saugfähig sein. Als Zwischentuch kann auch ein Frotteehandtuch verwendet werden.
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1 Wolltuch oder ein dickes Molton- oder Frottee-Tuch ca. 40 x 140 cm (Außentuch). Am besten geeignet ist ein breiter Wollschal oder ein entsprechend gefaltetes Badehandtuch.
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1 Topf und 1 Schüssel
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150 ml Wasser
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1 Teelöffel Schafgarbenkraut. Schafgarbenkraut (Apotheken- oder Bioqualität) ist in der Apotheke erhältlich. Während der Blühperiode der Schafgarbe kann auch frisches Schafgarbenkraut (Blatt, Stängel und Blüten) verwendet werden. (je nach Größe 1-2 Pflanzen)
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Wärmflasche (Wenn keine Wärmflaschen vorhanden, können andere Wärmeträger, wie Kirschkernsäckchen oder Wärmepads in entsprechender Größe verwendet werden.
Vorbereitung des Zimmers
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Lüften
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Zimmertemperatur anpassen
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Gedämpftes Licht, z. B.: Vorhänge schließen
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Keine Medien (Tel.-Radio-TV-PC-Smartphone aus)
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Bett oder Liege mit warmer Decke vorbereiten. Gefüllte Wärmflasche oder sonstigen Wärmeträger ins Bett legen.
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Türschild „Anwendung - Bitte nicht eintreten“ anbringen
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Mitpatient*innen über die Anwendung informieren.
Vorbereitung des Patienten
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Patienten informieren
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Blase entleeren
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Für warme Füße sorgen, z.B. mit Wärmflasche oder Fußbad
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Beengende Kleidung ausziehen
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Auf dem Wolltuch probeliegen und ggfs. die Position des Wolltuchs anpassen
Vorbereitung des Wickels
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Eines der Baumwolltücher (Substanztuch) mehrfach falten auf 20 cm Höhe x 30 cm Breite.
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Das zweite Baumwolltuch (Zwischentuch) auf 30 x 40 cm falten. Das Zwischentuch muss das Substanztuch an allen Rändern überlappen.
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Außentuch in Höhe der Leber im Bett auslegen. Das gefaltete Zwischentuch bereitlegen.
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Getrocknetes Schafgarbenkraut in 150 ml Wasser abgedeckt aufkochen und 5 Minuten ziehen lassen. Kraut sieben und den Tee sogleich verwenden oder in einer Thermoskanne aufbewahren. Frisches Schafgabenkraut in kochendes Wasser geben und ohne Flamme abgedeckt 5 Minuten ziehen lassen.
Durchführung der Anwendung
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Füße müssen vor der Anwendung warm sein. Wenn dies nicht gelingt, kann eine zweite Wärmflasche an die Füße gelegt werden
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Schafgarbentee in Schüssel geben.
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Das gefaltete Substanztuch an den trockenen Enden fassen und in den heißen Tee eintauchen bis das Tuch gut durchtränkt ist. Die Enden des Substanztuches sollen trocken bleiben.
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Substanztuch maximal auswringen.
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Patient*in legt sich ins Bett. Das heiße, maximal ausgewrungene Substanztuch vorsichtig auf die Lebergegend auflegen ("anfächeln"). Sogleich das Zwischentuch auf das Substanztuch legen. Das Substanztuch wird ventral in Höhe des rechten unteren Rippenbogens appliziert. Etwa die Hälfte der Wickelfläche liegt unterhalb des untersten Rippenbogens.
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Außentuch fest, aber ohne zu beengen um den Rumpf legen; erst das eine, dann das andere Ende. Bekleidung über dem Wickel glatt ziehen.
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Die Wärmflasche auf das Außentuch legen, so dass sie jederzeit entfernt werden kann.
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Die Arme unter die Bettdecke legen. Die Bettdecke über die Schultern ziehen.
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Anlegezeit des Wickels: 30 Minuten. Sollte der Wickel trotz Wärmflasche auskühlen, muss er entfernt werden. (Die Anlegezeit sollte mindestens 20 Minuten betragen. Optimal sind 30 Minuten. Die Zeit soll nicht durch den Patienten überwacht werden. Er / Sie darf einschlafen. Es ist kein Problem, wenn der Wickel länger anliegt.)
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Nach 30 Minuten Substanztuch und Zwischentuch entfernen. Das Außentuch wieder locker um den Leib legen.
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Etwa 30 Minuten nachruhen. Dann das Außentuch entfernen, aufstehen und an die frische Luft gehen.
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Patienten*innen, die nicht aufstehen können, sollten jetzt in Oberkörperhoch- oder Herzlagerung gebracht werden.
Nachbereitung
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Substanztuch ausspülen, Tücher können getrocknet wiederverwendet werden. Zimmer aufräumen, Bettmachen.
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Evaluation
Zeitaufwand
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Insgesamt ca. 30 Min.
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Vorbereitung ca. 10 Min; Anlegen und Abnehmen des Wickels ca. 10 Min; Überwachung und Nachbereitung ca. 10 Min.
Schulungsaufwand für Anwender*innen
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Patienten und Angehörige benötigen in der Regel zwei bis drei Anwendungen, bis sie motiviert und in der Lage sind die Anwendung an sich oder am Patienten durchzuführen.
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Medizinisches Fachpersonal sollte eine Einführung am Patienten erhalten, sowie über hinreichende Hintergrundinformation verfügen, um die Anwendung begründen zu können.
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Eine Selbsterfahrung mit der Anwendung und anschließender Reflexion sollte in der Schulung ermöglicht werden.
Fragen zur Evaluation
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Lokale Wärmephänomene (Wärme oder Kälte unter dem Substanztuches)?
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Wärmephänomene am gesamten Körper ?
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Stimmung während der Anwendung und der Nachruhe?
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Bewusstsein (z.B. Schlafen, Träumen, Dösen...) ?
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Besserung / Verschlechterung der Beschwerden?
Besondere Hinweise für Anwender*innen und Patient*innen
Der nach dem Mittagessen oder vor der Nachtruhe applizierte Schafgaben-Leberwickel wird bei sauberer Anlegetechnik zumeist als sehr angenehm, entspannend und kräftigend erlebt. Zur Behandlung der Fatigue sollte er über einen Zeitraum von 1 Woche täglich und dann 3 x wöchentlich angewendet werden. Eine nachhaltige Besserung der Fatigue ist nach 4 Wochen zu erwarten.
Als Begleitbehandlung der Chemotherapie, Immuntherapie oder Antikörpertherapie sollte der Schafgarben-Leberwickel während der Dauer des gesamten Therapiezyklus‘ täglich erfolgen. An Tagen mit einer ambulanten CHT kann der Schafgarben-Leberwickel auch am Abend durchgeführt werden.
Die Anwendung lässt sich im stationären Alltag am besten nach der Mittagsmahlzeit im Therapieplan verankern. Es sollte für jeden Patienten ein Wickelset zur Verfügung gestellt werden. Bei der Entlassungsplanung sollte der / die Patient*in frühzeitig motiviert werden, die Anwendung zuhause weiterzuführen. Optimal ist es, wenn der/die Patient*in eine schriftliche Anleitung zur Durchführung mitgegeben wird. Es ist eine Wärmequelle notwendig (Wärmflasche)
Hinweise zur externen Evidenz und weiterführende Literatur
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Monika Fingado; Therapeutische Wickel und Kompressen, Natura Verlag; ISBN: 9783723511275
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Foucré, Clara, et al. "Randomized Pilot Trial Using External Yarrow Liver Compress Applications With Metastatic Cancer Patients Suffering From Fatigue: Evaluation of Sympathetic Modulation by Heart Rate Variability Analysis." Integrative Cancer Therapies 21 (2022): 15347354221081253.
Mistel - Therapie
Beschreibung der Anwendung
Die subkutane Misteltherapie ist ein Standardverfahren, für das umfangreiche Erfahrung in der Behandlung onkologischer Patienten vorliegt. Mistelextrakte sind in Deutschland für Erwachsene zur subkutanen Anwendung zugelassen. Es liegen viele randomisierte Studien vor.
Die Misteltherapie verwendet die weißbeerige Mistel (Viscum album), die auf verschiedenen Wirtsbäumen wächst und von diesen bis in ihre substanzielle Zusammensetzung geprägt wird. Die gesamte Pflanze wird geerntet und durch die Hersteller zu einer subkutan applizierbaren Lösung in Ampullen weiterverarbeitet.
Die Misteltherapie kann zu einer gewünschten moderaten Fieberreaktion und einer lokalisierten entzündlichen Hautreaktion im Bereich der Einstichstelle führen.
Wann darf die Anwendung nicht durchgeführt werden?
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akut-entzündliche Erkrankungen, z.B. aktuell unkontrollierte Infektionen
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inflammatorisch aktive autoimmune (z.B. rheumatologische) Erkrankungen
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allergische Reaktionen bei vorangegangenen Mistel-Applikationen (selten)
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Hirntumore / Hirnmetastasen (Gefahr der Vergrößerung von Ödemen)
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Vorsicht bei paralleler Einleitung oder vorhandenen Nebenwirkungen durch eine Immun-aktivierende onkologische Therapie (z.B. Checkpoint-Inhibition).
Eine Misteltherapie ist begleitend zu einer zytostatischen Therapie meistens gut möglich (2). Hinweise auf eine Abschwächung zytoreduktiver Therapien ergaben sich in präklinischen und klinischen Untersuchungen nicht.
Indikation
Eine signifikante Besserung der Fatiguesymptomatik, mit einem von vielen Patient*innen immer wieder eindrücklich geschilderten Zuwachs von körperlicher Leistungsfähigkeit, erlebter Vitalität und seelischer Spannkraft, gehört zu den wichtigsten, auch in Studien gut reproduzierbaren Wirkungen der Misteltherapie. Aufgrund dieser gut belegten Verbesserung der Lebensqualität (1) findet sich die s.c.-Misteltherapie bei soliden Tumoren auch als „Kann“-Empfehlung in der S3-Leitlinie komplementäre Therapie bei onkologischen Patienten.
Präparate (Zum Wirtsbaum siehe bei "Besondere Hinweise")
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Helixor ® ; 1 Amp. 3x/Wo Initialdosis 1 mg
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Iscador ®; 1 Amp. 3x/Wo Initialdosis 0,1 mg
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Abnoba viscum ®; 1 Amp. 3x/Wo Initialdosis 0,2 mg
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(Iscucin ®); 1 Amp. 3x/Wo
Zulassungsstatus und Verordnungspraxis
Die Misteltherapie wird von den gesetzlichen Krankenkassen im Normalfall bei allen Patienten mit palliativerTumorerkrankung erstattet. Auch in der adjuvanten Situation kann die Therapie zur Linderung von Chemotherapie-assoziierten Nebenwirkungen auf Kassenrezept verordnet werden. In diesem Fall sollte auf dem Rezept der Hinweis - nach § 12 Abs. 8 AM-RL (zur Linderung von UAW) – vermerkt werden.
Spritzen (2 ml) und s.c.-Kanülen (Nr.20) und Aufziehkanülen (Nr1), ggf. Hautdesinfektionsmittel und Zellstofftupfer müssen zusätzlich verordnet werden.
Besondere Hinweise für Anwender*innen
Zur Hilfestellung der Einleitung einer Misteltherapie sollen hier einige Hinweise aufgeführt werden:
1. Auswahl eines Herstellers
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Helixor: Sehr feiner wässriger Auszug, meist gute Verträglichkeit
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Iscador: Auszug mit Hilfe von Fermentation, erster Hersteller, weit verbreitet, am umfangreichsten in Studien untersucht
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AbnobaVISCUM: Höchster Gehalt an Wirkstoffen (Mistellektine und Viscotoxine), häufig starke Reaktionen
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Iscucin: Wässriger Auszug mit Hilfe rhythmischer Prozesse, größte Wirtsbaumauswahl
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Abnoba + Iscucin sind in der Schweiz und Österreich nicht zugelassen.
2. Auswahl eines Wirtsbaumes (hierzu werden von den Herstellern differenzierte Angaben gemacht) zur Orientierung:
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Laubbaummisteln z.B. Helixor M (Malus - Apfel), Iscador Qu (Quercus – Eiche), Abnoba viscum fraxini (Fraxinus - Esche) eher für solide Tumoren bei kräftiger Patientenkonstitution
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Nadelbaummisteln z.B. Helixor A (Abies – Tanne), Iscador P (Pinus – Kiefer) eher bei geschwächten oder kachektischen Patient*innen oder zur Begleitung bei laufender Chemotherapie
3. Initiale Dosierung z.B. wie oben angegeben.
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Sinnvoll ist eine Steigerung bis zu einer Hautreaktion und subjektiv ausreichender Wirksamkeit.
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Weiterführende Hinweise zur Anwendungspraxis, FAQs und gut aufbereitete wissenschaftliche Literatur finden sich online unter www.mistel-therapie.de. Eine Misteltherapie kann, individuell angepasst, einen sehr hilfreichen Baustein in der onkologischen Therapie darstellen. Bei vorhandener Expertise ist zur Behandlung der Cancer Fatigue auch eine intravenöse Applikation möglich und wird in spezialisierten Klinikabteilungen oft mit Erfolg angewendet.
Die Misteltherapie ist in vielen onkologischen Therapiesituationen eine gute Ergänzung. Schwerwiegende Nebenwirkungen sind, wie in Pharmakovigilanzstudien belegt, selten. Hautreaktionen und Fieber (teils mit Krankheitsgefühl und Kopfschmerzen) sind häufiger möglich, dabei i.d.R. dosisabhängig und gut therapeutisch beeinflussbar.
Hinweise zur externen Evidenz und weiterführende Literatur
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(1) Systematisches Review und Metaanalyse:
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Pelzer F, Loef M, Martin DD, Baumgartner S. Cancer-related fatigue in patients treated with mistletoe extracts: a systematic review and meta-analysis. Support Care Cancer 2022 Mar 3. doi: 10.1007/s00520-022-06921-x. Epub ahead of print. PMID: 35239008.
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(2) In vitro wurden keine Interaktionen oder Wirkungsbeeinträchtigung der Zytostatika durch Mistelextrakt gefunden. Bei höheren Konzentrationen sogar additive Effekte
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BMC Complementary and Alternative Medicine Volume 14, Article number: 6 (2014): Interaction of standardized mistletoe (Viscum album) extracts with chemotherapeutic drugs regarding cytostatic and cytotoxic effects in vitro
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Umfassende Misteltherapie-Darstellung zur konkreten Anwendung auf ca. 350 Seiten: Vademecum Anthroposophische Arzneimittel. Bd. 2. 4. Aufl. München: Verlag der Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte in Deutschland; 2017. https://www.vademecum.org
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Konzentrierte, dennoch ausführlichere hochwertige Beschreibung und Anwendungsanleitung: https://www.anthromedics.org/PRA-0897-DE
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Sehr gut recherchierte Internetseite zur Wissenschaftlichkeit und Studienlage der Misteltherapie: https://www.mistel-therapie.de
Schlafhygiene - Tagesrhythmus
Beschreibung der Anwendung
Die Krebs-assoziierte Fatigue ist ein sehr belastendes Symptom der Krebserkrankung und vieler antitumoraler Therapien. Durch die aktive Gestaltung des Tagesrhythmus‘ sollen Ruhe und Erholungsphasen sowie ein erquicklicher Schlaf gefördert werden. Bewegungs- und Kreativangebote sowie Entspannungsverfahren kommen hierbei zum Einsatz.
Kurzanleitung
Die Gestaltung eines an die Leistungsfähigkeit angepassten Tagesrhythmus und einer Schlafhygiene, die einen erquicklichen, regenerativen Schlaf fördert, sind für die Behandlung des CFS wichtig. Grundsätze sind der rhythmische Wechsel von Phasen gesteigerter, konzentrierter Aktivität, Phasen der entspannten sozialen oder künstlerischen Interaktion und des Schlafes.
Wichtig für einen guten Wach-Schafrhythmus:
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Regelmäßige Aufsteh- und Bettzeiten auch am Wochenende beachten. „Zeittoleranz“ von 30 Min. wenn möglich nicht überschreiten
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Tagsüber ausreichende Bewegung und Lichtexposition, besonders morgens.
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Nicht auf „Sparflamme“ leben, aktives Tagesleben gestalten
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Ruhephasen planen, dabei möglichst nicht einschlafen, oder höchstens 20 – 30 min. (evtl. Wecker stellen).
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Rituale schaffen, z. B. Pufferzone zwischen Alltag und Nachtruhe, Abendspaziergang, angenehme Lektüre, Musik
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Abends: Sorgen u. Grübeleien loslassen, z. B. Tagebuch schreiben, Tagesrückschau halten, sich an positive Ereignisse des Tages erinnern, ggf. aufschreiben
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Sich nicht ärgern, wenn das Einschlafen nicht klappt, möglichst nicht auf die Uhr schauen
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Keine späten, schwerverdaulichen Mahlzeiten zu sich nehmen. Ein kleiner Snack vor dem Zubettgehen kann dagegen hilfreich sein (Nüsse, Banane, Trockenfrüchte), magnesiumhaltige Lebensmittel fördern den Schlaf
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Anregende Substanzen wie Koffein, Alkohol oder Nikotin meiden
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Entspannungsverfahren und/oder Atemtechniken erlernen und praktizieren
Vorbereitung einer guten Schlafumgebung
Kleine Veränderungen im Schlafraum können viel bewirken
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Schlafumgebung prüfen und angenehm gestalten. Raumtemperatur anpassen, störende Licht- und Geräuschquellen beseitigen oder dämpfen.
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Bei Bett und Bettwäsche Naturmaterialien bevorzugen, weil Kunststofffasern die Wärme stauen.
Abendliche Einschlafhilfen
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Kräutertee, Schlaftee, ayurvedischer Gewürztee (z. B. goldene Milch)
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Wärme in Form von warmen Getränken, Wollstrümpfen, Schlafmütze, Wärmeflasche.
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Warmes Fußbad oder Wannenbad z.B. mit Lavendel-Bademilch oder 100% ätherisches Öl Lavendel fein in Bioqualität.
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Schafgarben-Leberwickel
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Aurum Lavandula comp. Herz Salbenauflage
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Fuß-Einreibung mit Kupfersalbe rot (Wala)
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Bienenwachsauflage mit Lavendel-Öl
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Aromatherapie mit ätherischen Ölen wie z.B. Lavendel, Zirbe, Kamille, Rose direkt oder als Riechsalz, Stick, Diffuser, Sprühflasche nach aromatherapeutischen Angaben. (Ätherische Öle in Bioqualität, immer verdünnt anwenden, max. 5-10% (Kinder 1%))
Wickel & Auflagen, Einreibungen & Bäder
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Schafgarben-Leberwickel
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Entspannungsbäder
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Öldispersionsbad nach Werner Junge
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Ganzkörpereinreibung mit Lavendel- oder Rosenöl
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Anwendungen nach Kneipp:
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heißer Leibwickel 1 Std. lang
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kühles Sitzbad od. Halbbad 14-18 Grad, 10 Sek., dann ohne abzutrocknen ins warme Bett, mit warmem Badetuch einwickeln („Spanischer Mantel“)
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Kaltes Fußbad, 1 min lang. Die Wassertemperatur muss kühler als die Füße sein – das Wasser muss als kalt empfunden werden.
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Durchführung der Anwendungen
Patient*innen werden über die Bedeutung eines balancierten Tagesrhythmus informiert. In den Tagesablauf werden Zeiten der körperlichen und mentalen Aktivität, Zeiten der Entspannung und des Schlafes eingeplant. Darüber hinaus werden Patient*innen angeleitet Maßnahmen aus dem Bereich Wickel & Auflagen, Einreibungen und Bäder selbstständig durchzuführen. Umfangreiche Maßnahmen wie z.B. eine Ganzkörpereinreibung können in besonders schweren Fällen eingesetzt werden.
Einen besonderen Stellenwert nehmen hierbei die abendlichen Einschlafhilfen ein.
Zeitaufwand
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Gesprächsaufwand 2-3 mal je 30 Min.
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Zeitaufwand für Anwendungen ca. 30-60 min.
Hinweise für Patient:innen und Anwender*innen
Da eine Normalisierung des Schlaf-Wach-Rhythmus nicht immer sofort sichtbar ist, bedarf es einer engen Begleitung und Evaluierung innerhalb des Pflegeprozesses. Das Einüben von Ritualen und Erlernen der individuellen Maßnahme erfordert Geduld und führt manchmal erst nach Wochen oder Monaten zum gewünschten Ergebnis.
Evaluation
Schlaftagebuch führen!
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Konnten die Schlafgewohnheiten geändert werden?
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Konnte die Schlafdauer verbessert werden?
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Konnte die Schlafqualität verbessert werden?
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Konnten Vigilanz und Leistungsfähigkeit verbessert werden?
Hydrotherapie
Beschreibung der Anwendung
Bei CRF werden warm-kalte Wechselgüsse empfohlen. Dabei wird der Temperaturreiz des Wassers genutzt um die Gefäßdurchblutung zu verbessern und die Muskulatur zu tonisieren. Der Stoffwechsel wird angeregt. Dies kann die Kraftempfindung steigern. Längerfristig wird die Muskulatur entspannt und mit körperlicher Entspannung kann auch eine psychische Entspannung und Beruhigung einher gehen.
Es handelt sich hierbei um eine Therapieform aus der klassischen Naturheilkunde. Durch Güsse, Bäder oder Abwaschungen kommt es zur Stabilisierung von Körperfunktionen (Abhärtung), zur Vorbeugung, Rehabilitation und/oder zur Regeneration akuter oder chronischer Beschwerden.
Wann darf die Anwendung nicht durchgeführt werden?
Bei Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen, Fieber, Infekten & Erkältung, bei Frieren & Frösteln sollen die hier dargestellten Maßnahmen nicht durchgeführt werden.
Kurzanleitung
Wechselnde warm-kalt Güsse über Waden, Oberschenkel und den ganzen Körper.
Durchführung der Anwendung
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Die Güsse sollen morgens durchgeführt werden.
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Der Wechselguss beginnt mit warmem Wasser am kleinen rechten Zeh. Das Wasser wird über die Außenseite des Unterschenkels bis zur Kniekehle, dann an der Innenseite des Beines zurück zum großen Zeh geschüttet oder mit der Brause appliziert.
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Man bleibt solange beim warmen Wasser, bis die Haut eine gute Rötung zeigt.
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Dann wird die Seite gewechselt.
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Nach der Wade erfolgt ein warmer Schenkelguss rechts und links, dann ein kalter Guss.
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Zuletzt wird der ganze Körper warm begossen, dann erfolgt ein kalter Guss.
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Der Wechselguss wird in seiner Gesamtabfolge über 5 bis 10 min dreimal wiederholt.
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Der Wechselguss endet mit einem kurzen und kalten Wasserreiz.
Dauer und Häufigkeit
„Nicht heftig und selten, sondern mäßig und regelmäßig“ – also idealerweise täglich, abhängig von der individuellen Befindlichkeit, insbesondere im Sinne der oben aufgeführten Kontraindikationen. Nach der Anwendung das Wasser nicht abtrocknen, sondern nur abstreifen. Je kälter der Reiz, desto kürzer soll die Anwendung sein. Der subjektive Kälteschmerz ist IMMER die oberste Grenze für die Behandlungsdauer.
Besondere Hinweise für Anwender*innen und Patient*innen
Der Körper muss vor einer kalten Anwendung immer warm sein. Während der Behandlung, besonders beim kalten Reiz, tief ein- und ausatmen. Keine Anwendung auf vollem Magen, besser zwei Stunden nach dem Essen. Grundsätzlich gilt: Milde Reize stärken, zu starke Reize schwächen den Organismus.
Kneipp’sche Kaltwasseranwendungen sind eine Reiztherapie. Die Anwendungen und Reize sollen von kurz nach länger gesteigert werden. Die ersten Anwendungen sollten bei unerfahrenen Patient*innen zunächst nur einige Sekunden dauern. Die Blutgefäße lassen sich durch wiederholte Kaltwasseranwendungen trainieren.
Hinweise zur externen Evidenz und weiterführende Literatur
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Sebastian Kneipp: Meine Wasserkur. 2016 Severus Verlag
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Prof. Bernhard Uehleke: Das große Kneipp Gesundheitsbuch. 5. Auflage 2019. TRIAS Verlag
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H. Kreiter / H. Roschatt: Kneippen. Erste, überarbeitete Neuauflage 2016. Kneipp Verlag Wien
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